bookmark_borderAusbildung: praktisch oder theoretisch?

Studieren ist in. Immer mehr kommt für Eltern für ihre Kinder nur eine höhere Schulbildung oder ein Studienabschluss in Frage. Wenn es irgendwie machbar ist. Diese Tendenz wird von der Gesellschaft zusätzlich gefördert, indem für immer mehr Berufe eine Matura, ein höherer Schulabschluss oder sogar ein Studium vorausgesetzt wird; auch bei Berufen, wo offensichtlich emotionale, soziale und praktische Fähigkeiten gefragt sind, wie z. B. Kindergärtner/in. Das Problem dabei ist nicht die höhere Bildung, sondern vielmehr die zu theoretische Ausrichtung derselben, sowie die zunehmenden Tendenzen zur Verschulung. Unter Verschulung verstehe ich insbesondere:

  • Frontalunterricht
  • Starke Vorgaben
  • Viele Prüfungen, darunter immer mehr Multiple Choice-Abfragen
  • Punktesammelsysteme, Bewertungssysteme (Noten, Qualifikationen)
  • Standardisierung, Kontrolle
  • Wenig interdisziplinär
  • Wenig praktisch

Das Erledigen von praktischen, „niederen“ Arbeiten ist immer mehr in Verruf geraten und wird nicht mehr geachtet, obwohl ohne diese Arbeiten ja gar nichts gehen würde. Da die konkreten oder einfachen Tätigkeiten nicht geschätzt werden und daher auch schlecht bezahlt sind, möchte sie auch niemand mehr machen. Im Gegenteil setzen Eltern wohl alles daran, dass ihr Kind nicht in einem solchen Billiglohnsegment „endet“. In diesen Arbeitsbereichen haben die Arbeitenden auch sehr wenig Handlungsspielraum. Da sie zahlreiche Stufen von Vorgesetzten über sich haben, gibt es auch zahlreiche Vorgaben, wie genau die Arbeiten zu erledigen sind. Dadurch werden diese Tätigkeiten noch stumpfsinniger. Würde man den Personen, die konkrete Arbeiten ausführen, mehr Kreativität und Spielraum zugestehen, würden diese Arbeiten schon um einiges humaner.
(Der Einwand, dass viele dieser Arbeiter diesen Spielraum gar nicht wollten, zählt nicht, da sie die Perspektive auf Selbstbestimmung bei der Arbeit schon lange aufgeben mussten und Kreativität erst wieder erlernen müssten. Einige unter ihnen haben eventuell aus anderen Gründen schon viel früher, z. B. in ihrer Kindheit, resigniert und ihre Selbstbestimmung verlernt. Dadurch wurden sie aber sich selbst entfremdet. Auch sie würden so die Chance erhalten sich wiederzuentdecken.)

Da die Heranwachsenden also primär studieren und als mindestens relative Gewinner in die Arbeitswelt eintreten sollen, gibt es immer mehr diplomierte Studienabgänger. Diese erhalten relativ besser bezahlte Jobs und sind dann schon automatisch für einfache Arbeiten zu teuer. Dort wo tatsächlich komplexe Arbeiten anfallen, die ein theoretisches Studium erfordern, gibt es kein Problem. Diese Aufgaben sollen und müssen von den entsprechend geschulten und gebildeten Leuten erledigt werden. Es fragt sich, ob es so viele Aufgaben gibt, wie sie von der grossen Anzahl Studienabgänger nachgefragt werden und ob das für eine Gesellschaft sinnvoll ist.

Einfach gesagt ist eine Arbeit, die keine einfache Tätigkeit ist, die Organisation von Arbeit von anderen. Alle höheren Jobs handeln neben ihrer eigentlichen Arbeit von der Organisation von anderen Tätigkeiten. Die Studienabgänger und Diplomierte mit höherer Schulbildung, die in die Berufswelt eintreten, wollen und müssen sich dort auch beweisen und ihre höheren Löhne mit ihren Leistungen rechtfertigen.  Sie brauchen und lösen dazu Aufgaben, die entsprechend wertvoll sind. Wertvoll werden ihre Aufgaben vor allem dadurch indem sie die Arbeit von anderen analysieren, umstrukturieren und besser, vor allem effizienter organisieren. Immer mehr solche höheren Arbeiter drängen in den Arbeitsmarkt und stehen immer weniger Personen gegenüber, die die Adressaten (um nicht zu sagen Opfer) ihrer Leistungen sind. Der Anteil der Menschen, die andere Menschen beobachten, analysieren, beurteilen und kontrollieren nimmt generell laufend zu.

Diese Strukturierungs- und Umstrukturierungsarbeit  läuft unter Titeln wie Konzepte erarbeiten, Projektmanagement, Studien erstellen (inkl. dazugehörige Datenerhebungen, Umfragen, Auswertungen usw.). Die Entwicklung führt also dazu, dass immer mehr Menschen damit beschäftigt sind, die Arbeit von anderen Menschen umzustrukturieren (normalerweise unter den Stichworten bessere Leistungen, besseres Angebot, sparsamere Verwendung der Mittel) ihnen fertige Konzepte aufzustülpen und die Umsetzung der einzelnen Schritte zu kontrollieren.  Immer mehr Menschen leiden unter der Arbeit der Arbeitsorganisierer, weil sie:

  • in immer kürzeren Abständen Veränderungen der Arbeitsorganisation unterworfen sind  (Veränderungsprozesse, Umstrukturierungen, Fusionen, Betriebsschliessungen usw.)
  • ihre Arbeitsweise immer mehr von anderen (höheren Stellen) definiert wird und sie immer weniger selber bestimmen können, wie sie die Arbeiten erledigen
  • zuhanden der Arbeitsorganisierer immer mehr Daten erfassen müssen und deshalb immer mehr Zeit am PC verbringen und immer weniger Zeit für ihre eigentlichen Berufsaufgaben zur Verfügung haben
  • immer mehr kontrolliert werden (von vorgesetzten Stellen und verinnerlichter Selbstkontrolle)

Aus obigen Gründen ist es ein Problem, wenn die Gesellschaft derart auf die höhere Schulbildung und das Studieren fixiert ist.  Um diese Entwicklung abzubremsen gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • Aufwertung der praktischen Arbeit und bessere Bezahlung derselben
  • Mehr Frei- und Spielräume für die einfachen Arbeiter wie sie die Arbeit gestalten
  • Umverteilung der Arbeit, Angleichung der Löhne der theoretischen und der praktischen Arbeiter
  • Arbeitszeitverkürzungen (da infolge hoher Arbeitsproduktivität weniger gearbeitet werden kann)

Die konkreten Tätigkeiten, die praktischen Arbeiten, die Handwerksberufe sollten radikal aufgewertet werden. Die Schweiz steht mit der Institution der Lehre und der Berufsmatur und einer noch lebendigen Handwerkstradition dabei im Vergleich mit anderen Ländern, wie z. B. Deutschland, gar nicht so schlecht da. Diese Modelle müssen weiter gefördert und aufgewertet werden. Die rein schulischen Laufbahnen, die mit einem theoretische Fachstudium und eventuell noch mit diversen Nachdiplomstudiengängen und zusätzlichen Mastertiteln abgeschlossen werden, sollten stark in Frage gestellt und weniger attraktiv gemacht werden. Insbesondere verstehe ich diejenigen nicht, die die Lehre und praktische Ausbildungen immer mehr mit theoretischen und verschulten Studiengängen ersetzen wollen. Genau in die andere Richtung muss die Entwicklung doch gehen. Begrüssenswert scheinen mir auf dem Hintergrund dieser Überlegungen auch jene Ausbildungsmodelle wo Praxis und Theorie eng verzahnt sind oder abwechslungsweise das eine auf das andere folgt.

Viele Handwerker haben eine gute praktische Intelligenz und wissen, wie sie ihre Arbeit zu organisieren haben. Bei neuen Aufgaben und nötigen Umstrukturierungen ist das einzig sinnvolle mit ihnen zusammenzuarbeiten und ihr praktisches Wissen zu nutzen.  Es macht keinen Sinn, wenn Theoretiker in ihren Büros umfassende und abstrakte Konzepte ausarbeiten – auch wenn diese gut mit Umfragen und Erhebungen fundiert sind. Nicht fertige Konzepte einer Vielzahl von Menschen überstülpen, sondern aus der Praxis heraus organisch neue Lösungen entwickeln heisst die Losung der Zukunft.

bookmark_borderMusik

Um auf einem Musikinstrument musikalisch zu spielen braucht es drei Fähigkeiten, die ich mit folgenden Stichworten zu beschreiben versuche:

– Spiellust, Freude am Erzeugen und Hören von Musik und Tönen, spielerischer Umgang mit Instrument und Tönen, Spontaneität, Kreativität, Begeisterung, Geniessen der Gefühle und Freude an den emotionalen Wirkungen der Musik, Leidenschaft
– Disziplin, Selbstbeherrschung (Kontrolle des Überschwanges, Ausdauer, Ernsthaftigkeit)
– Technische Beherrschung des Instrumentes, Wissen um die Eigenschaften des Instrumentes (Spielfertigkeit)

bookmark_borderÜberlegungen zur Freiwilligen-Arbeit

Wann ist Arbeiten freiwilliges Arbeiten, d. h. also eine Tätigkeit, die ohne äusseren Zwang erfolgt, nur aus dem Willen heraus ein bestimmtes Ziel zu erreichen?
Im Gegensatz zum erzwungenen Arbeiten, das ausgeübt wird um zu überleben.
1. Lohnabhängige Arbeit
2. Selbständige Arbeit

Angenommen ich habe genug Geld, um in dieser Gesellschaft alles Notwendige zum Leben kaufen zu können. Jede Tätigkeit wäre freiwillig. Insofern Güter oder Dienstleistungen für andere dabei entstehen würden, könnte von Arbeit gesprochen werden. Wenn ich es nur für mich selbst tun würde, für meinen Genuss ohne auch an einen möglichen Zweck, den diese Tätigkeit in Zukunft für die Allgemeinheit einmal bekommen könnte zu denken, könnte ich nicht von Arbeit sprechen. Arbeiten ist demnach eine Tätigkeit, bei deren Ausübung auch Zwecke für andere, für eine Gemeinschaft erfüllt werden, neben den Zwecken, die sie für mich selbst erfüllt

Die Arbeit, die bezahlt wird ist dann freiwillige Arbeit, wenn ich gar nicht gezwungen wäre diese Arbeit zu tun, weder um der Bezahlung willen noch aus irgendeinem anderen Grund. Wenn ich also selbst das Ziel gesetzt habe oder meine eigenen Gründe habe diese Arbeit zu tun, um Zwecke zu erreichen: Zwecke für mich persönlich und Zwecke für die Gemeinschaft.

Vielleicht bin ich ja gezwungen eine Tätigkeit auszuüben, aber diese Tätigkeit wird nicht bezahlt. Dann ist es keine freiwillige Arbeit, sondern einfach unbezahlte oder vielleicht sehr schlecht bezahlte Arbeit.

bookmark_borderDer Wunsch nach unberührter Natur

Es sind wahrscheinlich vor allem Städter, die sich nach der unberührten Natur sehnen. Der Natur, die alles aus sich selbst schafft, ohne menschliche Eingriffe. Ich ertappe mich auch oft bei der Vorstellung, ja, wenn wir natürlicher leben würden, im Einklang mit der Natur, dann wäre alles harmonisch ineinander gefügt, es funktionierte. Die Tiere und Pflanzen wachsen selber und entwickeln sich zur richtigen Form. Auch die Kinder könnten sich ohne deformierende erzieherische Eingriffe doch viel besser entwickeln. Die Natur selber fügt alles zum Guten, sie wird als Lebewesen gedacht, gemeint sind meistens insbesondere die Tiere und Pflanzen, also alle Lebewesen. Die Natur ersetzt wohl zum Teil Gott. Uns selbst sehen wir nur zum Teil als Natur an, am ehesten noch unseren Körper, vor allem und immer noch den weiblichen Körper und teilweise die Seele, unser Innenleben. Denn es ist ja der Mensch der mit seinen Tätigkeiten den Gegensatz zur Natur schafft, also können wir nicht vollständig Natur sein. Ich glaube, dass der Wunsch nach einer harmonischen Idealwelt auftaucht, weil wir uns eben schon sehr stark von der Natur, also von dem, was auch ohne menschliche Tätigkeiten und Handlungen existiert und funktioniert, entfernt haben. Ich schreibe diesen Text am Computer in meiner Wohnung in Bern, also in einer weitgehend künstlichen, d. h. von Menschenhand erschaffenen Umwelt (auch wenn sie historisch „gewachsen“ ist). An Natur werde ich erinnert, wenn ich draussen zwei, drei Bäume sehe, den Himmel und wenn ich z. B. niesen muss. Da wir alles stark manipulieren (auch unseren Körper) und selber auch manipuliert werden, sehnen wir uns nach dem Gegenteil, dem was frei von jeder menschlichen Manipulation ist.
Häufig haben wir die Illusion etwas sei Natur, dabei hat der Mensch schon Einfluss genommen, das heisst es handelt sich eigentlich um Kultur. Z. B. ein normaler Apfelbaum ist ja in den meisten Fällen von jemandem gepflanzt worden, dann muss er aufgepfropft werden, damit er die uns bekannten grossen Äpfel hervorbringt. Ausserdem wird er noch regelmässig geschnitten und womöglich noch anderweitig gepflegt. Trotzdem ist der Anteil, den die Natur am Apfelbaum hat, immer noch recht gross. Deshalb denken wir auch an Natur, wenn wir einen Apfelbaum sehen. So verhält es sich auch mit Gärten, Wälder, der Landwirtschaft und ganzen Landschaften. Ist der Anteil an menschlichen Eingriffen sehr hoch, denken wir mit der Zeit nicht mehr an Natur, z. B. bei einem Garten mit englischem Rasen und zurechtgestutzter Zierhecke oder bei Monokulturen (das hat auch mit der abnehmenden Vielfalt und der zunehmenden Eintönigkeit zu tun, was wiederum mit unserer industriellen Produktionsweise zusammenhängt).
Beim Wort Natur denken die meisten Leute bei uns nicht mehr an die rohen Naturgewalten, die beherrscht und kontrolliert werden müssen. Wer in den Bergen wohnt vielleicht noch eher. Aber die Natur wird vielmehr als etwas Zerbrechliches wahrgenommen. Auch bei der Klimaveränderung befürchten wir mehr, dass alles aus dem Gleichgewicht gerät und selbst wenn eine Naturkatastrophe geschieht, denken wir sogleich auch an die Fehler der Menschen (man hätte dort eben nicht siedeln sollen, die Häuser sind zu schlecht gebaut, oder das ist alles wegen der Luftverschmutzung u. a.).
Obwohl wir uns nach der Natur sehnen, hat die Natur in unserem Wirtschaftssystem leider kaum einen Wert. Je mehr sie bedroht ist, umso mehr Wert wird sie allerdings bekommen, z. B. als Erholungsraum. Aber auch hier geht es um unsere menschlichen Bedürfnisse („ich möchte in den Wald, um mich zu erholen“) und nicht um die Bedürfnisse der Tiere und Pflanzen. Diese haben ganz eigene Bedürfnisse und Respektieren der Natur würde heissen, diese Bedürfnisse, unabhängig von unseren menschlichen Zielen zu respektieren und zu erhalten, die Natur als Selbstzweck zu anerkennen. Das würde bedeuten, dass die Menschen ihre Bedürfnisse begrenzen müssten und sie nicht ins Grenzenlose steigern könnten. Käme es nicht auf die rechte Mischung an? Die Menschen, aber auch die Tiere und Pflanzen müssten zu ihren Rechten kommen und wenn die Menschen den Tieren und Pflanzen dienen und diese wiederum den Menschen könnte sich ein neues Zusammenspiel ergeben, eine Kultur. Davon sind wir aber noch sehr weit entfernt, weil wir noch nahezu vollständig im Banne der Industrialisierung stehen, das heisst immer mehr, immer schneller und immer billiger produzieren und konsumieren müssen – als Selbstzweck. Deshalb ist die Natur für uns primär Rohstoff und Konsumgut und wird auch so behandelt.

bookmark_borderDarf man in politischen Angelegenheiten mitreden?

Das scheint auf den ersten Blick eine rhethorische Frage zu sein. Ja, natürlich soll man sich politisch betätigen. Allerdings wird man im praktischen Alltag allzuhäufig zurückgepfiffen. Zumeist mit dem Argument, dass man sich in bestimmten Fragen ja nicht genauer auskenne. Dem kann man entgegenhalten, dass man sich über die betreffenden Fragen ja bei diversen Fachleuten informieren kann. Trotzdem wird man das Thema nie so genau kennen wie die betreffenden Fachleute. Das heisst, man muss ausgewählten Fachleuten – oder als Vermittlungspersonen auch Journalisten – gegenüber Vertrauen entgegenbringen, dass sie den Sachverhalt richtig darstellen. Poltitische Fragen sind ja per Definition Fragen, die sich auf das gemeinschaftliche Leben beziehen. Das heisst, es sind Angelegenheiten, die mich direkt und indirekt betreffen, aber natürlich betreffen sie auch andere. Wenn ich also zugeben würde, dass ich zuwenig weiss, um bei politischen Fragen mitzubestimmen, würde ich meinen Anspruch auf Mitbestimmung und ein gewisses Mass an Selbstbestimmung aufgeben. Diesen Anspruch wird aber niemand aufgeben, da er zum Leben gehört. Ich werde also mitreden im Sinne meiner persönlichen Lebensinteressen, auch wenn ich unvollständig informiert bin. Und nur einen Teil der Fragen werde ich als für mich unbeantwortbar – mangels Erfahrung und Wissen – den Spezialisten überlassen. In der Demokratie wird uns ja dieser Anspruch in allen Fragen, die zur Abstimmung gelangen immer noch zugestanden (es gibt Leute, die diesbezüglich aber die Demokratie immer mehr in Frage stellen). Politische Fragen müssen daher so und in einer Sprache aufgeworfen werden, die von allen Beteiligten verstanden werden kann. Ausserdem gehört es (in einer Demokratie) zum Konzept der Person, dass sie entsprechend gebildet und fähig ist in politischen Fragen aufgrund der eigenen Interessenslage und wenn möglich auch unter Berücksichtigung der gemeinschaftlichen Interessen zu urteilen. Das kann natürlich nicht immer gelingen. Jeder und jede kann sich irren, auch die Spezialisten, wenn auch aus anderen Gründen als ein Laie. Aus der Konzeption der Person folgt auch, dass politische Fragen grundsätzlich allgemein verständlich vorgebracht werden können, dass sie von den Betroffenen und Beteiligten (wobei Kindern und Jugendlichen leider nur eine sehr beschränkte Beteiligung zugestanden wird) verstanden werden können.

Da sich politische Fragen auf das allgemeine Zusammenleben beziehen, müsste das bisher Gesagte auf zahlreiche Lebensbereiche zutreffen. Es zeigt sich aber, dass diese Art Fragen zu behandeln nur im Rahmen der politisch-institutionalisierten Verfahren zugelassen wird. Es sind also zahlreiche Lebensbereiche des Einzelnen ausgeschlossen, unter anderen die Familie, der Alltag allgemein und die Arbeitswelt.

Betrachten wir zunächst die engere Familie. Da das Lebensinteresse von uns allen die Mit- und möglichst grosse Selbstbestimmung einfordert und es sich um gemeinschaftliches Zusammenleben handelt, müsste auch hier politisches Mitreden erlaubt sein. Kindern und Jugendlichen wird es vermutlich und unter anderem aufgrund des Konzeptes der Person nicht zugestanden, da sie ja noch lernen müssen und nicht mündig seien. Da diese Gruppen aber ihr Lebensumfeld in und ausserhalb der Familie haben, sollten sie in diesen Lebensbereichen mitreden können. Sie wissen ja was ihre Interessen sind und sie haben Erfahrungen in diesen Lebensbereichen (die zugegebenermassen anfangs beschränkt sind, aber rasch immer mehr zunehmen). Es ist aber gerechtfertigt, dass gewisse Fragen von den Eltern entschieden werden, die ja im Normalfall auch die grössere Verantwortung tragen und da es Fragen sind, die von Kindern und Jugendlichen nicht hinreichend beurteilt werden können, da sie über ihren Erfahrungsbereich weit hinausgreifen. Dennoch wird aus Machtgründen, bzw. Schwäche die Mitsprachemöglichkeit von Kindern und Jugendlichen weit über das nötige Mass hinaus beschränkt. Es geht dann darum, dass Kreise der Gesellschaft die Jugendlichen überhaupt nicht mitsprechen lassen wollen, da sie sich einfach gesagt vor Neuem fürchten, meist unter dem Vorwand der „Unvernunft“ der Jugendlichen. Dabei ginge es hier darum festzustellen, dass Jugendliche heute chon viel früher gut informiert sind und ihre Interessen wahrnehmen könnten. Sie werden allzulange und allzuoft sinnlos als unmündig erklärt und zur Untätigkeit verurteilt, was ihre Selbstbestimmung betrifft. Auch den Kindern gegenüber gewähren die Eltern meist viel zuwenig Mitsprache-Möglichkeiten, was die Kinder in unnötiger Weise entmündigt.

Bezüglich der weiblichen Familienmitglieder ist es inzwischen ja allgemeiner Konsens, dass sie wegen der Machtanmassung des Pariarchats lange als unmündig behandelt worden sind und daher – zumindest offiziell und formell – von jeglicher Mitbestimmung ausgeschlossen wurden.

Als zweiten Fall möchte ich die Arbeitswelt untersuchen. Wiederum folgt aus der weiten Definition von politisch als alle Fragen, die die Polis, also das Zusammenleben in einer Gemeinschaft (Stadt, Dorf, Familie etc…) betreffen, dass auch in diesem Lebensbereich Mitbestimmung möglich sein sollte. Wie wir wissen ist das kaum der Fall. Es lässt sich feststellen, dass in der Arbeitswelt in vielen die Interessen der MitarbeiterInnen betreffende Fragen keine Mitbestimmung möglich ist und demokratische Ansätze nicht vorhanden sind. Zur Erklärung wird vorgebracht, dass in der Arbeitswelt besondere Bedingungen herrschen. Es ist eine Zweckgemeinschaft, da die Gemeinschaft zur Erfüllung bestimmter wirtschaftlicher Zwecke und Resultate eingegangen wird. Diese Art Gemeinschaft wird durch bestimmte rechtliche Rahmenbedingungen und Vereinbarungen, darunter z. B. auch die Arbeitsverträge, definiert. Diese Rahmenbedingungen gibt zum Teil die Politik im engeren Wortsinn vor. Das heisst nur durch die demokratischen Verfahren der Gesamtgesellschaft seien diese Rahmenbedingungen zu definieren. Ein Teil der Bedingungen wird aber auch individuell zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgehandelt, wobei letzterer zumeist am viel kürzeren Hebel sitzt. Ein dritter Teil wird durch die gesellschaftlichen Interessenvereinigungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart. Ein Teil der Rahmenbedingungen wird also demokratisch ausgehandelt der anderen Teile sind reine Interessens- und Machtkämpfe (das schliesst nicht aus, dass das demokratische Verfahren ebenfalls durch Machtungleichgwichte stark verzerrt wird und dass Interessen zwischen Akteuren auch mal fair und partizipativ ausgehandelt werden können). Was innerhalb dieses verhandelbaren Rahmens passiert ist dann aber nicht mehr verhandelbar. Dort gelten dann die Spielregeln, die aufgrund der Tradition unserer Gesellschaft zur Anwendung kommen. Im Hintergrund stehen immer auch Machtfragen, die ich hier aber tendenziell ausser Acht lasse, da ich auf Vernunft begründete Argumente für die Mitbestimmung auch in der Arbeitswelt und besonders in Betrieben suche. Nur in seltenen Fällen gibt es also echte Mitbestimmungsmöglichkeiten aller Beteiligten. Die Arbeitswelt betrifft ja unser Leben in hohem Masse und viel Zeit verbringen wir an der Arbeit. Aufgrund unserer Überlegungen zur Mitbestimmung und der Definition von politisch sollte unabhängig von den Rahmenbedingungen möglichst viel Mitbestimmung möglich sein. Die im Titel gestellte Frage erweist sich als nicht mehr sehr rhethorisch, wenn wir den Begriff „politisch“ weit fassen. Die mangelnde Mitbestimmung in der Arbeitswelt wird ausserdem begründet – soweit sie überhaupt begründet wird – mit den unterschiedlichen Rollen oder Funktionen der verschiedenen Akteure und besonders auch dem unterschiedlichen Fachwissen und der unterschiedlichen Erfahrung, die auch die verschiedenen Rollen begründen (würden). Aus diesem Argument heraus wir zumeist und in der Schweiz besonders gleich jegliche Mitbestimmung abgelehnt (mit dem etwas abgedroschenen Wort ausgedrückt, das Kind wird mit dem Bade ausgeschüttet). Vergessen wird dabei Zweierlei: Erstens gibt es immer auch Fragen, die alle ArbeitnehmerInnen eines Betriebes betreffen, z. B. Fragen, die mit der Ausstattung ihres Arbeitsplatzes zu tun haben, den Aufenthaltsräumen usw. Ausserdem gibt es die Möglichkeit, dass die Spezialisten komplexe Fragen allgemeinverständlich erklären. Besonders in der Ökonomie zeigt sich, dass zahlreiche Fragen in allgemeinverständlicher Sprache relativ einfach erläutert werden können. Meist wird mit dem vermeintlichen Spezialwissen ein Kult betrieben, indem z. B. englische Fachbegriffe benutzt werden usw. Dabei geht es vielfach um die Aufrechterhaltung der eigenen Rolle als Fachmann oder Fachfrau und als Vorgesetzte/r. Eine Erläuterung der Sachverhalte und allgemein mehr Mitbestimmung wird zumeist auch mit dem Argument verhindert, das sei nicht effizient, da es zuviel Zeit in Anspruch nehme und Entscheidungen verlangsame oder unnötig verkompliziere. Bezüglich dem Einwand der Effizienz müsste wohl eine Güterabwägung zwischen Effizienz und der Qualität des Zusammenlebens vorgenommen werden. Ohne das weiter zu diskutieren erscheint es mir aber offensichtlich, dass mit dem Schlagwort Effizienz (das natürlich auch mit der ökonomische Marktlogik begründet wird) nicht jegliche Fragen des Zusammenlebens beantwortet werden können, auch nicht in einer Zweckgemeinschaft, die Resultate produzieren muss oder will.

Soweit vorerst mein Versuch die Frage des Mitredens von der Politik im engeren Sinne auf das politische Zusammenleben im weiteren Sinne auszudehnen. Ich bin dabei von den folgenden Grundannahmen und Definitionen ausgegangen:

  1. Politisch heisst das allgemeine Zusammenleben in einer bestimmten Gemeinschaft betreffend. Und betrifft eben nicht nur den bürgerlichen, öffentlichen Raum in einer Stadt.
  2. Das Lebensinteresse von Lebewesen und insbesondere von vernünftigen Lebewesen begründet einen Anspruch auf möglichst weitgehende (den Umständen entsprechend mögliche) Selbstbestimmung. D. h. unter Berücksichtigung der Anforderungen des Zusammenlebens also Mitbestimmung.

Genauer geklärt werden müsste wohl noch die Rolle der Person. Wer mitbestimmt übernimmt auch Verantwortung und dazu muss der Akteur fähig sein, das heisst er muss eine Person sein (wer allerdings andere bestimmen lässt, obschon er selbst mündig wäre, übernimmt ebenfalls Verantwortung).